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"Mars-"klar und überokularisiert...
#1
BB vom 06.08.2018

Guten morgen Deutschland,

die warmen, klaren Nächte müssen unbedingt genutzt werden. So verabredete sich Ralf mit mir, um bei ihm die Sternwarte mal wieder richtig zu entstauben. Gegen 22:00 Uhr erreichte ich zeitgleich mit der ISS den Beobachtungstreffpunkt. Ein weiterer Astrofreund, der zu Gast* war wollte gemeinsam mit uns die weiten des Alls erkunden. Doch als ich durch die Türe eintrat, schälte sich zuerst einmal Christophs Silhouette aus der vom Laptop erhellten Kuppel. "Was machst denn du hier?", warf ich in den Raum.

   

Eigentlich eine blöde und überflüssige Frage!... Christoph dirigierte Ralf am Filterrad, um Aufnahmedaten von Saturn in den Rechner zu speisen. Was sonst macht unser "Aufnahmedauerläufer"! ... aufnehmen, aufnehmen, aufnehmen... mit allen möglichen Filtern!
Die Hände huschten über die Tastatur, um die notwendigen Einstellungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen - das bestmögliche Ergebnis als Zielvorgabe in Gedanken.

Der Herr der Ringe war im 8" Apo ein echter Blickfang und ich glaube, dass das Ergebnis dementsprechend hier im Forum präsentiert werden kann. Die Luftruhe war gestern sehr wechselhaft. Zwischen hochfrequentem Zucken und langsamem Wabbeln gab es auch ruhige, gewinnbringende Momente, was ich später noch einmal aufgreifen werde. Die Durchsicht blieb leider um gut eine halbe Magnitude hinter der vorigen Nacht zurück und vereinzelte, kleine Wolken zogen langsam über das Firmament.

Nachdem die Aufnahme im Kasten war, gingen wir vier zur einzig wahren, ehrlichen (im Gegensatz zu so manchem Ortshäuptling...  Angry  ) Nachttätigkeit über - der visuellen Beobachtung. Nur unsere Augen und das Sternlicht! Ab und an sauste eine helle Schnuppe vor dem Kuppelspalt vorbei. Um möglichst immer an beiden Hauptoptiken ähnliche Anblicke zu erhalten, habe ich meinen Okularkoffer mitgebracht. So standen für den Apo und den 16" ACF immer passende Linsenpakete zur Verfügung. Da freute sich der Mann an der Steuerung:

   

Für Ralfs Gast stellten wir vorrangig die "Highlights" ein, damit er sich ein Bild machen konnte, was welche Teleskopgröße zeigen kann. Die beiden Kugelsternhaufen M 13 und M 92 konnten gut miteinander verglichen werden. Die Sternabbildung war freilich im Linsenteleskop unschlagbar schön, während der "Lichteimer" in der flackernden Luft eher fein aufgeblähte Sternlein Preis gab. In Sachen Auflösung und Deep-Sky-Fähigkeiten punktete dafür das große SC.

So war bei der riesigen Edge On Galaxie NGC 5907 sofort das Staubband sichtlich, während M 102 "gemoddelt" daher kam. Was für Knaller - obwohl sie schon ein wenig von der Würzburger Lichtglocke "eingenebelt" wurden!

Ein Schwenk hinauf hoch in den Zenit führte uns zum Ringnebel M 57. Hier gaben wir dann richtig Gas, damit auch unser "älterer Gastgeber" in den Genuss kam, den Zentralstern zu erhaschen. 1000fache Vergrößerung - 11:00 Uhr - (der indirekte Blick), dann war ein breites Lächeln in Ralfs Gesicht zu erahnen.
Beim herantasten an die Höchstvergrößerung wurde deutlich, wie die Luftruhe bei solch grenzwertigen Beobachtungen der limitierende Faktor ist. Das Pumpen, das wir zuvor schon am Planeten erkennen konnten, ermöglichte hier Sehen - bzw. Nichtsehen. Geduld ist gefragt, um die ruhigen Momente abzuwarten. Das Verschmieren des feinen Sternpünktchens macht eine Erkennung vor dem PN sonst unmöglich. Immerhin ist das Innere des Ringnebels deutlich heller, als das tiefschwarze All.
Bemerkenswert ist zu erwähnen, dass wir den Zentralstern im 6mm Delos immer wieder aufblitzen sahen, während er im 6mm Baader Genuine Ortho bei gleicher Vergrößerung gut zu halten war. Die nur vier Linsen im Inneren des orthoskopischen Okulars ermöglichen einen höheren Kontrast und schlucken weniger Photonen als das WW-Okular, das deutlich mehr Glas-Luftflächen aufweist. Im 4mm Okular konnten wir den Stern dann alle gut erkennen und auch die Strukturen (Knoten und Bänder) im PN traten eindrucksvoll hervor.

Das Doppel-Doppel (Epsilon Lyra) wurde von beiden Geräten lehrbuchmäßig getrennt und machten noch einmal die Spiegel - Linsen - Sternabbildung deutlich.

Durch das ständige Wechseln der Vergrößerungen der nun zahlreichen, in der ganzen Sternwarte verteilten Okulare, kam es zwangsläufig zu diversen Verwechslungen beim Griff auf den Tisch bzw. in den Koffer. Die dicken Brummer 41er Panoptik, 31er Nagler, 22er Nagler, 21er Ethos, 13er Ethos, 12er Explore Scientific, aber auch das leichtere 8mm Zoom-Oku, und die schlankeren 6mm Delos, Ortho und... und... und... machten die Runde.

"Ich brauch 6...!" und Sprüche..."Immer wenn der Uwe bei mir den Fötusnebel beobachtet hat, bekam Heike Nachwuchs... !", ließen uns zwischendurch herzhaft lachen. Christoph erheiterte die Runde, wenn er hinter dem Teleskop eine streng katholische Kniebeuge hinlegte und dann beim "Erhebet euch..." über sein Gewicht jammerte.

Apropos NGC 7008 - Ein wunderbares Objekt, an dem wir auch eine Weile hängen blieben. Die Kombination aus Sternchen und Nebel sind einfach faszinierend. Man entdeckt daneben deutliche Helligkeitsunterschiede im Objekt. Dadurch erscheint es sehr lebhaft und plastisch.

Dann sollte noch die Hexenhand und den Sturmvogel eingefangen werden. Mit OIII - und UHC - Filter machten wir es uns einfach. Der Cirrus - Komplex mit seinen Filamenten, Knoten und Fetzen war damit auch der Höhepunkt für unseren Gast. Dass der Stern 52 Cygni ein wunderschöner Doppelstern "rot und blau"... ist ... naja, die Filter lassen grüßen! Im Großgerät ist der Supernovaüberrest einfach gigantisch... Genuss pur!!!

   

   

Gegen 1:30 Uhr führte uns die Himmeltour hinunter zum Mars. Wir wurden nicht enttäuscht. Visuell konnten wir am Apo das bessere Bild wahrnehmen. Im 16"er wurde die Luftunruhe mitvergrößert und das Flimmern verstärkte sich.
Ein kleiner "Running-Man" erschien auf der orange-roten Oberfläche (die Formationen der Dunkelregionen auf Mars sahen tatsächlich wie ein laufendes Strichmännchen aus) und die Eiswüste Hellas strahlte in hellem weiß.

Natürlich waren Ralf und Christoph mit dem visuellen Anblick alleine nicht zufrieden zu stellen. Es musste noch eine Aufnahmereihe her! Nach der Devise: "Wann, wenn nicht jetzt!" wurde schnell umgebaut. Und schon zog eine fiese, schwäbisch, gewittrige Wolkendecke von Süden herauf. Weg war das feurige leuchten des Kriegsgottes. Christoph schob die Regler im Programm hin und her, um die Helligkeitsunterschiede auszugleichen, bis der Planet völlig verschwunden war. Immer wieder kam er dann kurz zum Vorschein, um die Astrofotografen zu foppen.
Schnell wollten die beiden das Handtuch werfen und nur meinen beruhigenden Worten und meine unnachahmliche Motivationsfähigkeit mit Aufmunterungen wie: "Jetzt vertraut mir mal, der kommt schon wieder - Das Wolkenband ist gleich durch!" - "Habt noch ein wenig Geduld! Ich bin sicher gleich zeigt er sich!" ist es letztendlich zu verdanken, dass die Wolkenphase ohne psychische Schäden überlebt und der Planet in unterschiedlichen Farbfiltern auf den Chip gebannt werden konnte.

Daumen hoch

Nachdem wir noch gut 20 Minuten brauchten, bis jedes Okular im richtigen Koffer verstaut, und jeder Deckel seinen "Topf" gefunden hatte, verließen wir mit 7maligem Rütteln die Sternwarte Lindelbach und dem wohltuenden Gefühl eine ehrlich (im Gegensatz zu so manchem Dorfhäuptling Angry ... den ich zum Glück zwischendurch total vergessen habe Cool ) klasse Beobachtungsnacht erlebt zu haben.

So, jetzt muss ich mal nachsehen, ob ich nicht doch noch ein 12er ExploreScientific zuviel im Gepäck habe...

*ich hab leider vergessen zu fragen, ob ich seinen Namen im Forum veröffentlichen darf
the sky is the limit

Gruß Uwe

"Sehen ist schwieriger als Glauben" Zitat aus "Die Kometenjäger"

http://www.the-night-black-white.de
Folgenden 8 Usern gefällt Uwe's Beitrag:
Astrokarsten (07.08.2018), Christoph (07.08.2018), Florian B. (07.08.2018), Herbipollution (10.08.2018), Karsten (07.08.2018), LarsL. (07.08.2018), Martin.F (08.08.2018), Michael (10.08.2018)
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"Mars-"klar und überokularisiert... - von Uwe - 07.08.2018, 07:55



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