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Jupiter 2.0
#1
Die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sollte ziemlich genau das Gegenstück zu meinem letzten Beobachtungsabend werden. Damals herrschte eine irrsinnig gute Transparenz, aber der Jetstream in rund 10km Höhe war genau über Süddeutschland, was die Sterne ziemlich aufblähte und den Kontrast in den Keller schickte.
Mein Vorhersagen-Potpourri ließ erkennen, das für Mittwochnacht sehr geringe Luftbewegungen in den hohen Luftschichten zu erwarten waren. Üblicherweise ein Indiz für sehr gute Seeingwerte.
Und genauso trat es ein ... es war einer meiner besten Planetenbeobachtungsnächte (was kann man in Deutsch für schöne Worte konstruieren Smile). Wobei ich die Letzte hier im Forum ausführlich vorgestellte Nacht mit Top-Seeing verpasste. Die könnte noch einen Tick besser gewesen sein.
Aber der Reihe nach ...

Die Planung war klar, der Mittwochabend von Arbeit freigeräumt, das Wetter hielt sich an die Prognosen - nur die NEQ6 hatte wieder Alignment-Schluckauf. Der erste Versuch schlug fehl, weil sie partout Arkturus als dritten Stern wollte, der von meinem Beobachtungsplatz aber hinter einem Berg lag und die Alternativen mit "Alignment failed" kommentierte. Versuch Nummer drei war laut Montierung erfolgreich, aber die Positionierung auf Jupiter lag rund 12 Grad daneben. Versuch Nummer vier, mit völlig selbstgewählten Alignment Sternen, ging auch fehl. Versuch Nummer 5 war dann exakt identisch zu Runde Nummer zwei und - siehe da - nun völlig perfekt. Verstehe das einer ...

Ein erster kurzer Blick auf Jupiter zeigte sehr deutlich die ruhige Luft, aber auch noch das unausgekühlte Teleskop. Also kurzer Schwenk auf das Trapez in M42 und schon jetzt trotz Tubusseeing waren die Komponenten E und F nach etwas Konzentration als schwache Sternchen mit 12.5mm und 9mm Okularen nahezu permanent zu sehen.

Nach einiger Zeit schwenkte ich zurück zu Jupiter und war überwältigt von dem Anblick. Der große rote Fleck fast mittig, vorauslaufend ein dunkle Welle, die am GFR ansetzte und sich elegant ins breite Wolkenband verlängerte, hinter dem Großen Roten Fleck nachfolgend zwei helle, ins dunkle Wolkenband eingelagert Sturmgebiete, die völlig klar als helle Blasen auftauchten.

In dieses Richtung weiter in der Polregion waren ein (zwei?) weitere Aufhellungen zu erkennen. Das weiße Band auf dem Weg dahin wurde aber nochmals durch ein dunkleres in der Mitte getrennt. Und auch in dem Polbereich waren mehrere Bänder zu erkennen.

In der anderen Richtung war das zweite, momentan deutlich dunklere Äquatorialband präzise zu sehen und an seinen Rändern präzise wie eine Sinuswelle geschwungen.

Darüber war deutlich in einem hellen Bereich ein langes, dünnes Sturmgebiet (fast wie ein Strich) zu erkennen. Aber das stand nicht verloren in einem hellen Band einsam herum, sondern war seinerseits die Fortsetzung eines dünnen bräunlichen Bandes, das aber oberhalb von einem helleren und darauf folgend einem wieder deutlich dunkleren Band unterbrochen wurde. Darüber erkannt man ein weiteres, wieder helleres Band um dann in der Polregion noch weitere Farbnuancierungen zu erkennen.

Es war unglaublich wie ruhig Jupiter auch bei hohen Vergrößerungen vor einem lag. Bei 236x begann die Sache Spaß zu machen (9mm BGO), 304x waren problemlos möglich (7mm BGO), 355x (6mm BGO) stellte dann oft die Grenze nach oben dar, aber es gab 15 Minuten an diesem Abend an die wahnsinnige Vergrößerung von 426x (5mm BGO) noch sinnvoll war, einfach deswegen weil sich Jupiter noch größer (und immer noch völlig ruhig!) im Okular zeigte. Zwar nicht mit mehr Details, die vorhandenen aber einfach weiter auseinander gerückt. Die besten Momente waren aber tatsächlich mit den 7mm / 6mm Baader Genuine Orthos, als für Sekundenbruchteile dass Seeing einfror und Jupiter in einer Detailfülle vor der Auge lag, dass es mich wirklich "erschlagen" hat. Klingt komisch, aber machmal war ich, oder besser mein Auge, wirklich überfordert das alles gleichzeitig wahrzunehmen.

Ich begann mal die Bänderungen (hell, dunkel, heller ...) zu zählen und landete am Schluss (wenn man die beiden Polbereiche als Bänder durchgehen lässt) bei unglaublichen 14 (!) sichtbaren Bändern und Streifen auf Jupiter.

Als nächstes kündigte sich eine Jupitermondbedeckung an: Europa schob sich vor Io und bedeckte diesen (nicht exakt mittig, aber fast).
Ehrlicherweise auch weil ich meinem Auge etwas Erholung gönnen wollte, positionierte ich Jupiter auf der Seite und folgte dem Spiel der Monde. Erstaunlich, wie sich schnell die Jupitermonde zueinander bewegen, wenn man einen Bezugspunkt hat. Langsam wurden aus zwei entfernten Mondpünktchen zunächst ein schöner "Doppelstern", der dann immer enger wurde, bis zu einer liegenden "8", dann nur noch "ein Mond" zu sehen war und dann begann das Spiel in umgekehrter Reihenfolge erneut.

Erstaunlich war auch der signifikante Helligkeits- und Größenunterschied zwischen dem größeren Io und dem kleinerenEuropa. Solche Unterschiede an den Monden habe ich vorher noch nicht bewusst wahrgenommen.

Eine einstündige Wolkenpause ließen Puls, Blutdruck und Adrenalin wieder normalere Werte erreichen und das Geschehene verarbeiten. Danach ging es aber auf gleich hohem Niveau weiter. Ich schwenkte auf ein paar DeepSky Objekte, merkte aber, dass es mit der Transparenz langsam nicht (mehr?) allzu gut bestellt war.
Zunächst war alles erwartungsgemäß: M51 war wunderschön, eine leichte Spiralstruktur war indirekt zu erahnen, M82 war sehr kontrastreich und die eine Seite der irregulären Galaxie zeigte sich deutlich ausgefranst und bei der BlackEye Galaxie (M64) konnte man von der unsymmetrischen Helligkeitsverteilung und der deutlichen "Kante" auf den massiven dunklen Staubbereich schließen. Als ich dann, in Erinnerung an letztes Mal, noch einmal Thors Helm (NGC2359) beobachten wollte (gut, stand auch schon etwas tiefer) war an besagter Stelle: Nichts!
Ein prüfender Blick in Richtung Richtung Tal (gemeint ist die Geologie, nicht das Teleskop) zeigte mir nun deutlich aufkommende Feuchtigkeit in der Luft. Die Transparenz sank deutlich.

Also wieder retour zur Jupiter, den das alles keinen Deut störte und der nach wie vor (etwas weniger brilliant, aber immer noch unfassbar gut) glänzte.

Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass ich mittlerweile seit fast 5 Stunden Jupiter beobachtete - die Zeit war wie im Flug vergangen. Dennoch wollte ich (um der Besonderheit des Abends wissend) noch nicht zusammenpacken und hängte Viertelstunde um Viertelstunde dran. Erst die weit nach Mitternacht noch stärker aufkommende Feuchtigkeit und der immer tiefer stehende Planet brachten mich endlich dazu schweren Herzens einzupacken.

Müde, weit nach Mitternacht, aber rundum glücklich kam ich wieder Zuhause an. Was so ein paar Photonen auf der Netzhaut ausmachen können ...

Andeas-TAL
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Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond“
                                                                                                                              (Mascha Kaléko)  
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Florian Köhler (21.03.2015), Ulf (19.03.2015), Uwe (19.03.2015)
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Jupiter 2.0 - von Andreas-TAL - 19.03.2015, 11:56
RE: Jupiter 2.0 - von Uwe - 19.03.2015, 13:05
RE: Jupiter 2.0 - von Christoph - 19.03.2015, 14:04



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